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Ehemaliger Exerzierplatz neben dem alten botanischen Garten

Das Sängerfest 1858

Patriotisches Hochgefühl in der Festhütte

Nachdem bereits das erste eidgenössische Sängerfest 1843 in Zürich stattgefunden hat, lag es im Juli 1858 wiederum an den Zürcher Gesangsvereinen, diese Zusammenkunft von über 3000 Sängern aus der ganzen Schweiz zu organisieren. Für sie war das Fest nicht nur ein Gesangswettbewerb, sondern auch ein patriotischer Akt, in dem die Einheit der Schweiz beschworen wurde.

Dass gerade in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele eidgenössische Feste ins Leben gerufen wurden, ist nicht verwunderlich, eigneten sie sich doch besonders zur Beschwörung der nationalen Einheit im noch jungen Bundesstaat. Zürich fungierte dabei – als zentral gelegene und gut mit der Eisenbahn erreichbare Stadt – immer wieder als Austragungsort. So fand bereits 1843 das erste offizielle Fest des eidgenössischen Sängervereins in Zürich beim alten botanischen Garten statt.

Das Nägeli-Denkmal auf der Hohen Promenade Zentralbibliothek Zürich: Nachweis (Public Domain)
Bereits 1843 fand das erste eidgenössische Sängerfest statt. Damals beschloss der Verein, dem «Begründer des schweizerischen Volksgesangs» Hans Georg Nägeli in Zürich auf der Hohen Promenade ein Denkmal zu errichten. Heute richtet die Schweizerische Chorvereinigung weiterhin Gesangsfeste aus. 2008 in Weinfelden nahmen mehr als 15 000 Sänger*innen teil, 2022 ist das Gesangsfest in Gossau geplant.

Zürich im Zeichen der Sänger

Im Jahr 1858 fanden sich wiederum vom 17. bis 19. Juli über 3000 Sänger aus der ganzen Schweiz zum eidgenössischen Sängerfest in Zürich ein. Dies war nicht selbstverständlich, fehlte hier doch ein geeignetes Lokal, um so viele Personen unterzubringen. Da sich jedoch keine andere Stadt zur Verfügung stellte, sagten die Zürcher nach einigem Bedenken zu. Allerdings waren die städtischen Kirchen zu klein für ein solches Fest, es musste also eine Sängerhalle gebaut werden. Die Errichtung eines bleibenden Baus scheiterte aber am Mangel eines geeigneten und nicht allzu teuren Bauplatzes. Schliesslich entstand auf dem Exerzierplatz neben dem alten botanischen Garten eine fast 5600 m2 grosse Halle. Von aussen erschien sie als mittelalterliches Schloss mit Zinnen, Ecktürmen und Bogenfenstern mit Glasmalereien. Innen befand sich eine von 80 Säulen getragene, lange Halle, die einer fünfschiffigen Basilika nachempfunden und mit Tüchern, Kränzen und Fahnen geschmückt war. Bei solcher Sorgfalt erstaunt es doch, dass alles gleich nach dem Fest wieder abgebaut wurde!

Das Fest prägte die Stadt. Neben den zahlreichen Festumzügen durch die geschmückten Strassen war die Hütte das Zentrum aller festlichen Aktivitäten. So fanden dort nicht nur das Wettsingen der Vereine und die Gesamtaufführung statt, es wurde auch gegessen, getrunken und gefeiert, wobei patriotische Reden dabei nicht fehlen durften. Diesen nationalen Gedanken findet man auch im Festführer, der für Teilnehmer und Publikum gedruckt wurde:

Eine uralte Sitte hat schon vor vielen hundert Jahren die Söhne des Alpengebirges oft zu gemeinschaftlichen Festen vereint, und wenn das auch keine Sängerfeste unserer Zeit waren, so wissen wir doch, dass dabei Musik und Gesang eine grosse Rolle spielten und Schlacht- und Siegeslieder neben heitern Ringelreihen zu ertönen pflegten. Wie mancher Bruderbund mag dabei geschlossen, wie manche Zwietracht zwischen nachbarlichen Landschaften beseitigt worden sein! […] Darum, Eidgenossen! denkt an das Wort eures grossen Geschichtschreibers; beharret ewig in enger Verbindung, in Krieg und Frieden, durch vaterländische Sitten und Freuden gemeinschaftlicher Feste. Eine Nation wie eine Familie!

Planung und Finanzen

Die Organisation des Sängerfestes folgte einem damals typischen Muster: Der Gesang-Verein Harmonie Zürich und der Sängerverein der Stadt Zürich vereinigten sich zu einem festgebenden Gesamtverein. Aus diesem heraus wurde ein Organisationskomitee gegründet, das die Festleitung und zudem als Zentralkomitee die Geschicke des eidgenössischen Sängervereins für diese zweijährige Periode in die Hand nahm. Einflussreiche Persönlichkeiten wie Regierungspräsident Jakob Dubs, Professor Karl Keller, Regierungsrat Oberst Fenner oder Musikdirektor Wilhelm Baumgartner übten dabei die Leitungsfunktionen aus. Daneben wurden sieben Spezialkommissionen aufgestellt, die sich zum Beispiel um den Bau der Festhütte, die Finanzen, die Musik oder die Wirtschaft kümmerten.

Kantonsregierung und Stadtrat erkannten die Bedeutung des Festes an und sprachen finanzielle Beiträge. Auch die Zürcher Gasthöfe, die Nordostbahn und die Dampfschifffahrt auf dem Zürichsee unterstützten die Organisatoren finanziell. Man erhoffte sich wohl durch ein gelungenes Fest und positive Berichterstattung in der ganzen Schweiz einen Werbeeffekt und auch zukünftige Gäste.