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Brunnenturm

Musik- & Singunterricht in der Schule

Unterricht im Brunnenturm

Geprägt von Kirche, Bildungspolitik und kultureller Nachfrage durchläuft der Musik- und Singunterricht an Zürcher Schulen eine Entwicklung, die eng mit jener der städtischen Gesellschaft verbunden ist und sie widerspiegelt.

Die Entwicklung des Musikunterrichts lässt sich besonders gut am historischen Brunnenturm in der Zürcher Altstadt aufzeigen. Er verkörpert die Präsenz der Musik im Lehrplan und dokumentiert pädagogische Prozesse des Lernalltages.

Der Brunnenturm wurde Mitte des 13. Jahrhunderts erbaut und zählt heute zu Zürichs älteren Kulturdenkmälern. Vorerst als Wohnturm genutzt, war er lange im Besitz verschiedener Zürcher Handelsfamilien. Im 19. Jahrhundert ging das Gebäude an die Stadt über und wurde zuerst als Blinden- und Taubstummenanstalt, dann als Armen- und später auch als Gemeindeschule genutzt.

Unter den Lernenden waren auch namhafte Persönlichkeiten wie Gottfried Keller, der 1825 die Armenschule im Brunnenturm besuchte. In seinem Roman Der grüne Heinrich schildert er Eindrücke aus einem von Pestalozzis Bildungspolitik geprägten Unterrichtsalltag. Keller beschreibt zwar Buchstabier-, aber keine Singstunden. Trotzdem muss auch er in der Schule in Musik unterrichtet worden sein, denn Pestalozzi war der Auffassung, dass die Singpraxis einerseits Körper- und Sprachentwicklung, andererseits eine gesunde Kind-Lehrer-Beziehung fördere. Er sah den Gesang als bedeutsame Komponente der «Bürgerbildung».

Die Ursprünge des schulischen Singunterrichts

Unterricht im Brunnenturm Unterricht im Brunnenturm Zentralbibliothek Zürich: Nachweis (Public Domain)

Vor Ausrufung der Helvetischen Republik 1789 waren Lehrpläne alles andere als einheitlich und oftmals kirchlich geprägt. So war auch das Singen nicht an allen Schulen fester Teil des Lernalltags. Aus Schulumfragen von 1771 geht hervor, dass an ca. 60% der Schulen Musikunterricht stattfand, allerdings meist in rein praktischer Form. So wurden insbesondere Psalmen gesungen oder auch Volkslieder zur Auflockerung des Unterrichts. In direkter Anbindung an den Religionsunterricht diente das Singen häufig als reines Mittel zur Vermittlung religiöser Inhalte. So ist auch bemerkenswert, dass in reformiert geprägten Schulen merklich mehr gesungen wurde als in katholischen, dort dafür eher gebetet.

Ausserhalb der Schule konnten Musizierbedürfnisse in abendlichen Singschulen oder im Instrumentalunterricht gestillt werden. Dieser Unterricht war jedoch Privatsache und von den Familien zu tragen.

Ausbau und Entwicklung

Mit der Einführung der allgemeine Schulpflicht 1874 wurde dem Musikunterricht erstmals ein fester Platz im Lehrplan zuteil. Zwei Jahre später wurde auch die Zürcher Musikschule gegründet.

Aufgrund steigender Bevölkerungszahlen und damit einhergehend wachsenden Einschulungsraten entstanden an vielen Zürcher Schulen Platzprobleme. Fächer wie Sport, Hauswirtschaft oder eben Musik mussten in verschiedene Gebäude der Stadt ausgelagert werden. Neben dem Gross- und Fraumünster bot sich auch der Brunnenturm – insbesondere wegen der guten Akustik – zur Nutzung als Ausweichräumlichkeit an.

Im Verlauf des 20. Jahrhundert stieg das allgemeine Interesse an musikalischen Schulinhalten stetig, und schon bald war der Unterricht um Angebote wie Schulchöre, Bigbands oder Musikabende erweitert. Neben der Singpraxis wurde der Unterricht zunehmend auch musiktheoretisch, mitgetragen durch neue Lehrmittel.

Musiklehrer

Ein einheitliches Finanzierungsmodell herrschte lange nicht vor, sodass Musikunterricht in flickwerkartigen Gefügen aus teils städtischen Fonds, teils Stiftungen mitfinanziert wurde. Leider sind kaum Quellen zu finden, welche diese genauer aufschlüsseln. Dazu kommt, dass Musiklehrpersonen häufig auch andere Fächer unterrichteten oder privat Gesangs- oder Instrumentalstunden anboten.

Klar scheint jedoch, dass sich die Besoldung im Durchschnitt an jener anderer Fachlehrpersonen orientierte. Tendenziell wurde der Musikunterricht jedoch etwas tiefer als naturwissenschaftliche Fächer, dafür aber besser als Sport und Zeichnen entlohnt, was wiederum den gesellschaftlichen Stellenwert von Musik in der Bildung erahnen lässt.