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Casino am Hirschengraben

Musik im Verein

Von Zürichs Musikkollegien zur Allgemeinen Musik-Gesellschaft

In Zürich gibt es seit ungefähr 400 Jahren Musikgesellschaften. Von ihnen ist die Allgemeine Musik-Gesellschaft (AMG), die 1812 gegründet wurde, nach wie vor aktiv. Wie in anderen Vereinen zahlten die Mitglieder Beiträge und wechselten sich in den Vorständen ab – aber sie bildeten auch ein Orchester und musizierten gemeinsam.

Die alten Musikkollegien Zürichs

Gründung und Mitglieder

Ab Anfang des 17. Jahrhunderts existierten verschiedene Musikgesellschaften oder «Collegia musica» in Zürich. Ursprünglich stark von den Lateinschülern und -lehrern getragen, wurde dort viel geistliche Musik gesungen, aber auch Instrumentalmusik gespielt. Die verschiedenen Gesellschaften schlossen sich mehrfach neu zusammen, wie ihr ‹Stammbaum› zeigt:

Immer mehr Zürcher Musikliebhaber wurden als neue Mitglieder in die Gesellschaften aufgenommen und hatten dort die Gelegenheit, auch grösser besetzte Musik zu hören. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert wurden sie von musikinteressierten Mitgliedern der angesehensten Familien der Stadt getragen. Die Gesellschaften versuchten immer wieder, Berufsmusiker als Mitglieder zu gewinnen. Im Jahr 1712 z.B. hatte die Gesellschaft «ab dem Musiksaal beim Kornhaus» 21 Mitglieder, zehn Jahre später deren 26, darunter die beiden Stadttrompeter Heinrich Albertin (1666–1736) und Johann Ludwig Steiner (1688–1761).

Entwicklung der Musikgesellschaften

Überblick über Züricher Musikgesellschaften, nach dem AMG-Neujahrsblatt 2012, S. 34.

Die Allgemeine Musik-Gesellschaft Zürich und ihr Konzertsaal

Über das Casino

Im Casino gab es einen Konzert- und einen Ballsaal und dazwischen zwei Salons. Der Konzertsaal hatte rund 400 unnummerierte Plätze und war mit 20 auf 12 Metern um 7 Meter kürzer und mit einer Höhe von 7 Metern um 2 Meter niedriger als der Kleine Saal der heutigen Tonhalle am See.

Ab 1812 unterhielt auch die AMG unterhielt ganz in der Tradition der älteren Zürcher Musikgesellschaften ein Orchester, das hauptsächlich aus Vereinsmitgliedern bestand und nur punktuell durch einige bezahlte professionelle Musiker ergänzt wurde. Damit stand in Zürich seit ihrer Gründung ein Ensemble für grosse öffentliche musikalische Aufführungen zur Verfügung.

Die Aufführungen, mindestens bis zur Jahrhundertmitte, wurden in Saisons (jeweils Oktober bis Februar) gegliedert, die in der Regel zunächst mehr als zehn, später etwa sechs Abonnementskonzerte umfassten. Schon die Vereinsbeiträge unterschieden sich je nach Wohnort: Sobald jemand genügend weit weg von der Stadt Zürich wohnte, halbierte sich der Beitrag – weil er mehr Aufführungen verpasste. Auch Nicht-Mitglieder konnten die Konzerte besuchen.

Die Allgemeine Musik-Gesellschaft heute

Die AMG zählt heute über 100 Mitglieder, die aber nicht mehr gemeinsam musizieren. Sie veranstaltet 3–4 musikalische Anlässe pro Jahr. Ihre grosse Notenbibliothek ist in der Zentralbibliothek erhalten, und sie gibt jährlich ein Neujahrsblatt mit einem Essay zur Musik heraus.

Dass die Allgemeine Musik-Gesellschaft von Anfang an öffentliche Konzerte veranstaltete, war eine Zürcher Besonderheit gegenüber Musikgesellschaften anderer Städte, die ungefähr zur gleichen Zeit gegründet wurden. Ab 1868 wurde die öffentlichen Konzerte Zürichs durch das Orchester der soeben gegründet Tonhalle-Gesellschaft bestritten.

Die AMG verfügte über einen festen und eigens für Konzerte erbauten Saal. Dieser Saal gehörte zum Casino, das 1806 am Hirschengraben erbaut wurde. Der einstöckige Bau im französisch-klassizistischen Stil lag damals am äussersten Rand der Stadt. Er war das erste bedeutende Werk des jungen Architekten Hans Caspar Escher, heute befindet sich – nach Umbauten und Erweiterungen – das Zürcher Obergericht darin. Im Jahr 1834 wurde zwischen dem Casino und dem Aktientheater, das in der unmittelbar angrenzenden Kirche des ehemaligen Barfüsserklosters eingebaut wurde, eine Verbindung erstellt.

Ein typisches Programm der AMG 1839

aus dem Konzertprotokoll der Gesellschaft
Zweites Konzert
Dienstag, den 10. December 1839
Act 1.
Sinfonie Nr. 4 von F. Ries, op. 10
Bass-Arie aus der Belagerung von Corinth von Rossini «Ja glorreich»Herr Hölzel
Fantasie für Oboe in C, von und durch. Methfessel, Winterthur
Sopran-Arie aus Cenerentola von Rossini «Nacqui all’affanno»M.lle Corrodi
Act 2.
Ouverture aus Abu Hassan von C. M. von Weber
Der Todtengräber. Lied von C. Hölzel} Herr Hölzel
Die Post. Lied von Schubert
Concertino für Violine von P. Rovelli, a-MollHerr Aug. Bünzli
Cavatine aus Adelaide e Comingio von Pacini «Dolci memorie»M.lle Corrodi
Concertino für Klarinette und Oboe von Methfessel F-Dur op. 8Herren Ott Imhof und Methfessel
Die Soli übernahmen hier Profis wie «Dilettanten»: Louise Corrodi, später Hofopernsängerin in Dresden, der Oboenvirtuose und Dirigent Ernst Methfessel, der gerade am Zürcher Theater engagierte Bariton Gustav Hölzel und Hans Conrad Ott-Imhof als hervorragend Klarinette spielendes AMG-Mitglied.