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Corso-Theater

Das Corso-Theater

Varieté am Bellevue

1900 eröffnet, war das Corso-Theater am Bellevue über 47 Jahre hinweg eine der zentralen Unterhaltungsstätten Zürichs, bevor es zum heutigen Corso-Kino wurde. Doch was konnte man auf seiner Bühne erleben? Und welche Akteure waren in dessen Betrieb involviert? Ein Blick in die Jahre 1900 bis 1939 in ein Theater, das Zürcherinnen und Zürcher begeisterte – und schockierte.

Das heutige Corso-Kino hat eine vielfältige Geschichte hinter sich. Vom ursprünglichen Theaterbau ist nur noch die Fassade übrig, wie sie von 1898 bis 1900 von den Architekten Hermann Stadler und Emil Usteri gebaut wurde. Tragödie, Komödie, Satyrspiel – drei Masken zieren die Front des früheren Jugendstilgebäudes, das neben dem Theaterbau ein Restaurant mit Innenhof, ein Ladenlokal, Wohn- und Büroräume und sogar einen Billard- und einen Fechtsaal umfasste. Es überrascht daher kaum, dass die Schickeria Zürichs diesen einladenden Ort und die darin stattfindenden Varietévorstellungen zahlreich besuchte.

Der Theatersaal

Ehemaliger Theatersaal des Corso-Theaters Baugeschichtliches Archiv: Nachweis (CC-BY-SA)

Wie die Fassade war auch der Theatersaal im Jugendstil gehalten. Ein cremefarbener Grundton kontrastierte mit kupferroten Plüschgarnituren und üppiger Dekoration an der Decke. Neben einem gemalten Sternenhimmel an der Decke war in der Mitte des Oberlichtfensters die Göttin der Freude Laetitia dargestellt, links von der Bühne die Voluptas, die Personifikation der Lust und des Vergnügens, und rechts die Fatalis, die Personifikation des Schicksals. Und über ihnen thronte schliesslich Apollo mit Pegasus und seinen Musen. Bemerkenswert ist zudem, dass das Orchester nicht in einem tiefen Graben sass, wie etwa in der Oper. Zum einen verlangten kleine Besetzungen, dass Orchester und Darsteller*innen in direktem Kontakt standen. Zum anderen verstand man auch den Blick aufs Orchester als Unterhaltung. Doch was, fragt man sich, fand auf der Bühne statt?

Das Programm

Ab der Eröffnung am 17. April 1900 bot das Corso-Theater fast täglich Varietévorstellungen mit Dressurshows, Operetten (so etwa die Schweizer Erstaufführung von Franz Lehárs «Land des Lächelns») und Revuen, aber auch Tanz, Akrobatik, Clowns, Soubretten und Jazz. Die oftmals leichtgeschürzten Nummern führten über die Jahre hinweg immer wieder einmal zu Aufruhr, häufig seitens der christlichen Bevölkerung Zürichs, was in einigen Zeitungsartikeln dokumentiert wurde. Es soll sogar zu Protesten gekommen sein!

Informationen zum genauen Ablauf eines der fast täglich stattfindenden Varietéabends findet man wiederum in den noch erhaltenen Programmheften. Darin sind in der Regel vierzehn bis fünfzehn Nummern pro Abend aufgeführt, ein regelrechtes Potpourri von Unterhaltungen aller Art. Das Orchester spielte zudem noch während der Pausen und untermalte damit Reklameaufführungen. Das Corso kam allerdings nicht immer seiner Pflicht nach, entsprechende Tantiemen für die Musikaufführungen zu zahlen, wurde daher 1914 von der französischen «Société des Auteurs, Compositeurs et Éditeurs de Musique» verklagt und musste die Zahlungen nachreichen. Aus den Unterlagen desselben Prozesses ist ausserdem ersichtlich, dass die monatlichen Einnahmen in der Saison 1913/14 im Schnitt etwa 38'000 Fr. betrugen. Einnahmen aus Reklame in Vorstellungspausen und den Programmheften beliefen sich jährlich auf zusätzliche 30'000 Fr., was also überraschenderweise beinahe einem ganzen zusätzlichen Monat an Ticketeinnahmen entspricht.

Eine weitere Anzeige fing sich das Corso im Februar 1920 ein, als die spanische Grippe in Europa wütete und schweizweit – wie heute – Schutzmassnahmen getroffen wurden: Konzertsäle durften nur zu zwei Dritteln gefüllt sein und Stehplätze waren verboten. Der Theatersaal war am 21. Februar jedoch so überfüllt, dass die Entschuldigung des Direktors, die Verordnung vom 14. Februars nicht gelesen zu haben, nicht akzeptiert wurde und das Theater daher mit 500 Fr. gebüsst wurde.

Der Umbau 1933–1934 und der Corso-Almanach

Ab 1933 erfolgte der erste grosse Umbau des Corso-Theaters durch die Architekten Karl Knell und Ernst F. Burckhardt: Der Jugendstil machte der Moderne Platz. Die Fassade wurde mit neuen Schriftzügen von Max Bill versehen und der Theaterbau dahinter neu gestaltet samt neuer Beleuchtungsanlage, einem beweglichen Parkett und modernster Bühnenausstattung.

Verbreitung der Instrumentenhandel-Unternehmen im Jahr 1867 in der Stadt Zürich Dossier V.L.144;4 Mappe 2, Corso-Almanach (1935), Stadtarchiv Zürich: Nachweis (urheberrechtlich geschützt)

Wie inszeniert sich das Corso-Theater?

Im Zentrum steht die Theaterleitung. Darum herum sind all ihre Aufgaben präsentiert: Programmgestaltung, Krisenmanagement und Marketing, ja sogar Lobbyarbeit. Zudem impliziert das Corso-Theater hier sein internationales Renommee als bedeutende Unterhaltungsstätte.

Zur Feier der ersten Saison im neuen Theaterbau druckte die Corso-Betriebs-AG, unter der Direktion von Dr. Hans Wickihalder, den Corso-Almanach, ein vierzigseitiges Heft, das Rückblick auf die vergangene und Ausblick auf die neue Saison war. Das Titelbild gestaltete der Engelberger Grafikdesigner Herbert Matter, der als Begründer des modernen Fotoplakats in der Schweiz gilt. Doch gerade die Texte, die der Almanach enthält, sind sehr aufschlussreich, da sie Aufschluss über verschiedene Angebote geben, wie zum Beispiel Kinderkonzerte, von Auftritten grosser Künstler*innen berichten oder Bühnen- und Lichtmeister zu Wort kommen lassen. Kurz gesagt, man erfährt im Corso-Almanach, wie sich das Theater gegenüber seinem Publikum als Kulturstätte inszenierte.

1947 wurde das Corso-Theater schliesslich in ein Kino umgebaut. Ein Jahr später kaufte die Stadt Zürich erst den Theatertrakt und später den Vorderbau. Seit 1970 steht das Gebäude nun unter Denkmalschutz.